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Von Digital nach Analog

von wal (Kommentare: 0)

MIST 72 e.V. erfährt die Eisenbahnhistorie

MIST72 e.V.

Auch in der Welt der heutigen Modelleisenbahn ist digital kräftig angesagt. Vielfältige Steuerungsmöglichkeiten sind längst Standard. Aktuell tönt das digitale Modellbahntriebfahrzeug. Besonders reichhaltig hört sich das bei der Gattung Dampflokomotive an. Von verschiedenen Pfiffen über das Schmatzen der Speisepumpe bis zum Quietschen der Räder im Gleisbogen. Ja, sogar dieses Quietschen wird elektronisch synchron zum Fahrtverlauf erzeugt. In der 1:1-Eisenbahnwelt heute nur noch bei Nostalgiefahrten zu erleben.

Der Märklin Insider STammtisch 72 Reutlingen – Tübingen und Umgebung e.V., kurz MIST72 e.V., setzte dies aus Anlass seines 10-jährigen Bestehens um.
Am 23. Juli trafen sich 19 Stammtischler mit Begleitung pünktlich im Bahnhof Warthausen zur Ausfahrt mit dem „Öchsle“. 1899 als Schmalspurzug der Königlich Württembergischen Staatseisenbahn eröffnet und seit 1985 einzig erhaltene Museumsbahn im Ländle auf 750 mm Spurweite.

Dank der analogen Telegraphenleitung des Öchsle-Schmalspurbahnvereines zur Wettersteuerung waren die Schleusen punktgenau an diesem Tag geschlossen. 9 historische Personenwagen standen schon bereit. Die extra Schrifttafel wies den KBi 2077 Stg als für den Stammtisch reserviert aus. Ein exzellent stilgetreu restaurierter Durchgangswagen 2. Klasse (sogar mit WC!), 1908 von der Waggonfabrik Rastatt hergestellt. Die Fensterscheiben leichtgängig zum Öffnen für das genießen des Konglomerates aus Kohle, Rauch, Öl und heißem Dampf.

Mit dem durchdringenden Klang des Läutewerkes Glocke kündigte die BR 98 788, hier „Berta“ gerufen, ihr Nahen an. 1955 vom LKM Babelsberg erstellt, jetzt frisch und fit gerichtet aus dem Lokschuppen, rangierte sie vor den Zug. Bereit für 19 km Schmalspurstrecke bis Ochsenhausen. Die zahlreichen unbeschrankten Bahnübergänge ließen bei den Streckenzeichen „P“ unterschiedliche Pfiffhöhen auf die Ohren dröhnen. Und deshalb eine ganz lebendigere Akustik als aus der digitalen Retorte! Auch das Quietschen in den Gleisbögen mit Radius 120 Meter – eben analoges Original!

Der mehrstündige Aufenthalt in Ochsenhausen teilte sich auf in Verpflegungspausen und Gang zu den Klosteranlagen mit Besichtigung der dreischiffigen spätgotischen Kirche St. Georg aus dem Ursprung von 1495, seit 1725 im heute sichtbaren Baustil. In dem weitläufigen Gelände grüßten auch Pferde aus ihren Pensions-Stallungen. Und im Fruchtkasten des Klosters wurde „Venedig in der Kunst“ gegeben. Abseits der Verkehrsschlagader im Grünen zurück zum 1899 erbauten Bahnhof. Mit Museum der „Waschfrauen“ im Nebengebäude. Also auch für die Begleitungen ein reizvoll analoger Vergleich mit dem digitalen Heute.

Sowohl auf der Hin- als auch Rückfahrt wurden, offensichtlich unfreiwillige, Streckenpausen eingelegt. Ursache heißgelaufenes Stangenlager? Jedenfalls begeisterte jedes mal die Anzugskraft aus 600 PS der 5-achsigen Dampflok in den Steigungen. Unterstützt vom rhythmischen Fauchen aus dem Schornstein und dem Abdampfzischen der Zylinder. Erwartungen voll erfüllt!

Reichlich historisch geprägte Eindrücke, über den Tag gesammelt, fanden den genussreichen Abschluss in dem typischen „gschmäggle“ der noch analogen Dampfeisenbahn bei der Einfahrt in den Endbahnhof Warthausen! (fl)

Im Januar 2018 wollen wir wieder einen Tag der langen Gleise ausrichten. Das böte dann auch die Gelegenheit, den h3-Zug präsentieren zu können.

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